Reportage

Fahrstunde im E-Auto: „Wie im Raumschiff schweben“

06. Jan 2025

5 Minuten

Mit dem Elektroauto zum Führerschein? Einige Fahrschulen machen es möglich. Fahrlehrerin Stefanie Sonnenschein hat drei E-Autos – weil die „so schnell aus’m Quark kommen“. Ein Besuch im niedersächsischen Diepholz.

Fahrschülerin Viktoria verstaut ihren Rucksack im Kofferraum, öffnet die Fahrertür und setzt sich souverän ans Lenkrad. Gerade noch hat die 17-Jährige im Bio-Leistungskurs ein Experiment durchgeführt. Jetzt ist erneut volle Konzentration gefragt. Schon nächste Woche steht für Viktoria Schlüsche die praktische Fahrprüfung an. Und ihre Fahrlehrerin Stefanie Sonnenschein sagt: „Wir haben noch ein bisschen was vor. Aber du machst das gut.“ 

Also: Parkbremse lösen, Spiegel, Schulterblick – und los. 

Ganz leise gleitet das weiße Elektroauto vom Hof der Fahrschule. „Wir fahren links weiter“, sagt Stefanie Sonnenschein, seit 30 Jahren Fahrlehrerin und seit mehr als 25 Jahren selbstständig. 2021 hat sie das erste Elektroauto in ihre Flotte aufgenommen. Aus Neugier, um mit der Zeit zu gehen und „wegen der Umwelt“, sagt sie ohne zu zögern. „An der Ampel dann rechts.“ 

Fahrlehrerin Stefanie Sonnenschein ist gut ausgestattet. Ihre Elektroautos laden über Nacht an Wallboxen.

Fahrlehrerin lobt den elektrischen Fahrspaß 

Nach einer kurzen Denkpause ergänzt sie: „Vielen jungen Leute ist es wichtig, Ressourcen zu schonen. Sie finden es gut, mit einem sauberen Auto unterwegs zu sein.“ Viktoria nickt und sagt: „Ja, die Umwelt ist mir wichtig. Auch meiner ganzen Familie: Wir haben schon eine Solaranlage auf dem Dach und eine kleine Ladestation am Haus.“ 

Ein eigenes Elektroauto fehlt der Familie noch – Stefanie Sonnenschein hat inzwischen drei. Es war ein Prozess, erinnert sie sich: „Früher konnte ich mir nicht einmal vorstellen, Automatik zu fahren. Ich wollte schalten. Heute denke ich: Automatik ist besser. Und E-Autos erst recht, die machen einfach Spaß.“ Ihre Fahrschülerinnen und Fahrschüler kommen mit dem elektrischen Fahren sehr gut klar, viele absolvieren auch die Prüfung elektrisch. E-Autos sind immer Automatikfahrzeuge. Wer außerdem mit Schaltgetriebe fahren will, macht mindestens zehn seiner Fahrstunden im Schaltwagen, der einen Verbrennungsmotor hat. 

„Automatikführerschein“: Was bedeuten 78 und B197

Schlüsselzahl 78:

Wer die 78 im Führerschein hat, darf nur Automatik-Pkw fahren. Dies gilt für Personen, die alle Fahrstunden und die Prüfung auf einem Automatikfahrzeug absolvieren. Die Art des Antriebs – ob Elektro, Benzin oder Diesel – spielt keine Rolle.

Schlüsselzahl B197:

Sie berechtigt zum Führen von Automatik- und Schaltfahrzeugen. Um Schaltgetriebe fahren zu dürfen, müssen Fahrschülerinnen und Fahrschüler mindestens zehn Fahrstunden mit einem Schaltauto absolvieren. Die Fahrschule bescheinigt dann nach einer mindestens 15-minütigen Testfahrt die „Schaltkompetenz“. Die Schlüsselzahl im Führerschein dokumentiert nur, dass die Prüfung auf einem Automatikfahrzeug absolviert wurde.

E-Autos machen Fahrstunden entspannter

Stefanie Sonnenschein kam wegen der Umwelt zum E-Auto – und bleibt jetzt wegen des Komforts: „So ein Elektroauto ist einfach toll zu fahren, auch für die Fahrschüler. Und ich arbeite ja den ganzen Tag da drin.“ Die typische Fahrstunde verläuft nun bequemer: kein Abwürgen des Motors, kein schwerfälliger Start an der Ampel. „E-Auto fahren fühlt sich an wie im Raumschiff schweben“, sagt Viktoria. „Es ist entspannter als in anderen Autos.“ 

Viktoria fährt zügig durch den Wald – und trotzdem fast lautlos.

 „Mit dem E-Auto kommst du schnell aus’m Quark“, sagt Stefanie – während Viktoria ganz langsam wird: Eine verkehrsberuhigte Zone in der Innenstadt von Diepholz. Schrittgeschwindigkeit, fünf bis sieben Stundenkilometer. Viktoria lässt den Wagen einfach rollen. „Guck mal, die haben die Zone verlängert“, sagt Stefanie. „Hier darfst du in der Prüfung nicht zu früh Gas geben, sonst ist es vorbei.“ 

Außerhalb der Stadt ist Gas geben erlaubt. 400 Kilometer Reichweite bietet das Fahrschulauto mit einer Ladung – damit kommt Stefanie Sonnenschein gut durch den Tag. Sparsamkeit ist ihr wichtig, das Auto fährt meistens im Eco-Modus. „Und dann immer schön rekuperieren“, sagt sie – eine Besonderheit des Elektroautos, die Stefanie jedem Neuling erklärt: Wer im E-Auto vom Gas geht, rollt in der Regel nicht aus. Das Auto bremst ohne Betätigung des Bremspedals ab: Die sogenannte Rekuperation, also Rückgewinnung der Energie, lädt die Batterie auf.  


Fahrschülerin lernt auch das Laden 

Stefanie zeigt ihren Fahrschülerinnen und -schülern auch das Aufladen an der Wallbox, die gleich neben dem Schaufenster ihrer Fahrschule hängt. Und heute darf Viktoria auch eine Schnellladesäule ansteuern. Sie steht auf einem Parkplatz neben Supermarkt und Schnellrestaurant. Rückwärts einparken, Ladeklappe öffnen, aussteigen.  

Stefanie drückt Viktoria eine Ladekarte in die Hand. Damit kann sie die Säule freischalten. „Wo muss ich die jetzt hinhalten?“ Ein Wellensymbol blinkt grün. „Ach hier!“ Dann den Ladestecker auswählen, aus der Säule nehmen, ins Auto stecken. „Interessant, das mal zu machen“, sagt Viktoria.

Viktoria fährt rückwärts an die Schnellladesäule ...

... und steckt den CCS-Stecker ins Fahrzeug.

In der Fahrschule erläutert Stefanie, was Elektroautos auszeichnet.

Deutschlandnetz-Ladesäulen kommen nach Diepholz 

Für Unsicherheiten beim Laden gibt es immer weniger Gründe: Denn auch in Diepholz wird das Laden komfortabler. Der Betreiber EWE Go HOCHTIEF Ladepartner baut acht Schnellladepunkte in der Stadt – im Rahmen des Deutschlandnetzes im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Sie werden nach der Eröffnung in den gängigen Handy-Apps sowie den Navigationssystemen von E-Autos angezeigt. Bezahlen wird dort auch ad hoc per Giro- und Kreditkarte möglich sein. 

Zurück an der Fahrschule findet ein Fahrerinnenwechsel statt. Die nächste Schülerin ist dran. Sie bringt Viktoria noch ins benachbarte Rehden. „Von dort kann mich gleich jemand mitnehmen“, sagt sie. Mit dem Bus würde sie eine Stunde nach Hause brauchen. „Der Führerschein bedeutet hier bei uns Freiheit“, sagt Stefanie. Und dazu hat sie einer weiteren Schülerin per E-Auto verholfen. Eine Woche später besteht Viktoria ihre Prüfung.  

 

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